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Orientierung

26. August 2015 - Am Weg
Orientierung

[Anja Appel]  IMG_4217Für das Klimapilgern habe ich mir Karten gekauft. Auch wenn der gesamte Jakobsweg  sehr gut beschildert ist, möchte ich diese Karten haben. An ein paar wenigen Stellen werden wir nämlich von diesem traditionsreichen Weg abweichen. Und grundsätzlich möchte ich mich immer im Gesamtraum orientieren können, wenn ich unterwegs bin.

Ich muss dabei an die vielen Millionen Menschen denken, die weltweit auf der Flucht sind, vor Krieg, Verfolgung, aus der Not heraus oder weil sie auf der Suche nach dem „Guten Leben“ sind. Sie haben meist keine oder nur begrenzte Karten, orientieren sich am Hören-Sagen oder verlassen sich auf die Menschen, die ihnen versprechen, sie schon dorthin zu bringen, wohin sie wollen, wenn sie nur ausreichend zahlen. Diese Ohnmacht, das Ausgeliefertsein kommen mir schrecklich vor. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich klimapilgern darf.

Das Pilgern an sich ist ja auch eine Phase der Orientierung, der (Neu)ausrichtung des eigenen Weges. Von Beginn des Lebens an befinden wir uns auf dem Weg, die Landkarte wurde uns allerdings nicht mitgeliefert. So manch eine Abzweigung stellt uns daher vor schwierige Entscheidungen. Nach was wir uns ausrichten, welche Richtungsentscheidung wird treffen, da hat jede ihre eigenen Parameter: die eigenen Zielvorstellungen und Wünsche; die Erwartungen der Umwelt an einen; Gott und das, was uns unsere Religion gelehrt hat; Jede bewertet diese Parameter unterschiedlich, das hängt von der Sozialisierung, von der aktuellen Lebenssituation und von den gemachten Erfahrungen ab. Aber klar ist, jede von uns braucht Orientierung. Und Perspektiven.

In Situationen der Ausweglosigkeit oder des Gefühls, in einer Sackgasse zu stecken oder sich nicht mehr auszukennen vor lauter Optionen, da suchen wir verständlicherweise Halt oder richtungsweisende Unterstützung. Das ist verständlich und verführerisch. Denn es gibt immer eine, die weiß, wie´s besser gehen kann, was die Lösung ist und was die nächsten Schritte sein sollten. In der jetzigen politischen Situation lässt sich das auch sehen: wie viele meinen, der einfachste Weg aus der Flüchtlingssituation sei einfach, die Grenzen dicht zu machen. „Aus dem Auge aus dem Sinn.“ Aber wenn wir ehrlich zu uns sind, merkt jede von uns sofort, dass das keine Option ist. Denn Menschen, die sich auf den Weg zu uns begeben, aus welchem Grund auch immer, die können und dürfen wir nicht stoppen. Denn Leben will leben. Und wer um´s Überleben kämpft, der wird solange kämpfen bis es nicht mehr geht. Je früher wir das als Gemeinschaft begreifen, desto eher lernen wir uns neu zu orientieren, in einer Welt, die sich für uns ändern wird. Und zwar zum Guten, wenn wir mitmachen. Aber dafür braucht es eben die Fähigkeit, sich selbst orientieren und (neu) ausrichten zu können. Ich werde das auf meiner Pilgerreise wieder einmal üben, gemeinsam mit denen, die mitgehen und denen, die wir am Weg treffen werden.