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Irene Giner-Reichl: Transformation unserer Welt

9. November 2015 - Am Weg, Informationen
Irene Giner-Reichl: Transformation unserer Welt

Die neue UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Unter dem Titel „Agenda 2030“ hat die Generalversammlung der UNO im September ein  Ergebnisdokument angenommen, das auf den Milleniums-Entwicklungszielen (MDGs) anknüpft, aber noch weitreichender ist. Dem Ansatz liegt ein integratives Verständnis von Ökologie, Ökonomie und soziale Entwicklung zugrunde.

Am 25. September 2015, unmittelbar nachdem Papst Franziskus vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) gesprochen hatte, nahm die versammelte Staatengemeinschaft ein weitreichendes Ergebnisdokument an: „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Die Agenda 2030 legt 17 Nachhaltigkeitsziele fest, auf die ab sofort alle Staaten der Welt, gemeinsam hin arbeiten wollen.

Agenda 2030 baut auf den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) auf, ist aber breiter und tiefer angelegt. Die MDGs waren sehr erfolgreich, was die Zuspitzung und Vereinheitlichung  von internationalen Zielsetzungen anging. Kritisiert wurde dennoch u.a., dass die Gender-Zielsetzungen hinter internationalen Konsensdokumenten, wie der Pekinger Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz 1995, zurückgeblieben seien; dass Fragen der Rechtsstaatlichkeit und guten Regierungsführung nicht im Text berücksichtigt oder ganze Aktionsfelder, wie Energie für nachhaltige Entwicklung, außer Acht gelassen worden wären.

Die Präambel der neuen Agenda 2030 hebt besonders hervor:

  • die Bekämpfung von Armut und Hunger
  • den Schutz des Planeten durch Nachhaltigkeit bei Konsum und Produktion
  • die Mehrung des Wohlstandes für alle
  • die Bedeutung von friedlichen, gerechten und inklusiven Gesellschaften (frei von Furcht und Gewalt) und
  • eine partnerschaftliche Vorgangsweise bei der Umsetzung.

Zielerreichung

Die Ziele der Agenda 2030 sollen auf nationalen Pfaden erreicht werden; es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass es keine 0-8-15-Lösungen gibt, die für alle Gegenden der Welt und alle Sektoren gleichermaßen zielführend sind. Regionale Lösungen, wie sie Österreich gemeinsam mit der UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO) z.B. erfolgreich mit Regionalen Zentren für Erneuerbare Energie und Energie-Effizienz in Westafrika, im südlichen Afrika, in Ostafrika, Karibik, Pazifik und in der Himalaya-Hindukusch-Region umsetzt, erweisen sich als richtungsweisend. In diesem Zusammenhang scheint mir sehr begrüßenswert, wie Papst Franziskus wiederholt aus Texten verschiedener Bischofskonferenzen zitiert und somit den Erfahrungsschatz der gesamten Weltkirche mobilisiert.

Ausdrücklich wird in Agenda 2030 auf die „Querverbindungen zwischen den Zielen für nachhaltige Entwicklung“ verwiesen; deren „ integrierter Charakter für die Erfüllung von Ziel und Zweck der neuen Agenda von ausschlaggebender Bedeutung“ sei.

Dieser integrierte Ansatz hat sich in einschlägigen Beratungen der letzten Jahre immer stärker herausgebildet; insbesondere unter dem Schlagwort: „Energie-Wasser-Ernährung -Nexus“. Wasser ist nötig, um Energie und Ernährung bereitzustellen; Energie ist nötig um Wasser zu pumpen, um Felder zu bewässern und Nahrungsmittel zu produzieren. Wasser,  Energie (mit Ausnahme Erneuerbarer Energie), fruchtbarer Boden sind auf der Erde nur in begrenztem Umfang vorhanden, sodass Sektorpolitiken und Programme immer auch auf die Gegebenheiten außerhalb des Sektors achten sollten.

Drei Dimensionen

Agenda 2030 geht über dieses engere Nexus-Verständnis hinaus und unterstreicht, dass alle drei Dimensionen von Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie, Soziale Entwicklung –  integriert umgesetzt werden müssen. Einen ähnlich integrierten Ansatz sehe ich auch in der Enzyklika von Papst Franziskus,  Laudato Si. Wie es im Einleitungsparagraphen Nr. 15 heißt, wolle der Papst „die enge Beziehung zwischen den Armen und der Anfälligkeit des Planeten; die Überzeugung, dass in der Welt alles miteinander verbunden ist; die Kritik am neuen Machtmodell und den Formen der Macht, die aus der Technik abgeleitet sind; die Einladung, nach einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen; (…) die Wegwerfkultur und den Vorschlag eines neuen Lebensstils“ hervorheben.

Schon vor einigen Jahren verabschiedete die UNO ein Zehn-Jahres-Rahmenprogramm für  nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, welches nun von Agenda 2030 ausdrücklich bekräftigt wird. Laudato Si´ fordert im 6. Kapitel zu einer ökologischen Umkehr und zur Entwicklung eines neuen Lebensstils ein, „im Bewusstsein des gemeinsamen Ursprungs, einer wechselseitigen Zugehörigkeit und einer von allen geteilten Zukunft“, zu einer Grundhaltung des Sich-selbst-Überschreitens, indem das abgeschottete Bewusstsein und die Selbstbezogenheit durchbrochen werden und Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen und der Umwelt möglich wird.

Integrierte Sichtweise

Besonders wichtig in dieser integrierten Sehweise erscheint mir dabei der Zusammenhang zwischen sozialer Ungerechtigkeit und Zerstörung von Ökosystemen; die beiden gehen praktisch immer Hand in Hand. Es sind die ärmeren Länder des Südens, die am meisten unter den bereits spürbaren Auswirkungen der Klima-Wandels, insbesondere Zunahme von extremen Wetter-Ereignissen, leiden, wie etwa die kleinen Inselstaaten oder Länder mit tiefliegenden, stark besiedelten Küsten wie Bangladesch. Und in allen Ländern sind die Armen stärker von den Auswirkungen der Umweltzerstörung betroffen als Bevölkerungsschichten mit mehr Wohlstand, weil die Armen immer noch viel unmittelbarer davon abhängen, dass die Ökosysteme ihnen Nahrung und Schutz vor Naturunbill geben, und auch weil die Armen zumeist nicht gut durch Versicherungen gegenüber existenzgefährdenden Ereignissen abgepuffert sind.

Bereits der Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro kam im Grundsätzlichen – und in vielen konkreten Empfehlungen der Agenda 21 – zur Einsicht, dass das Umschwenken auf nachhaltige Entwicklung die einzige Option ist, wenn wir wollen, dass auch zukünftige Generationen von Menschen auf unserem Planeten Erde lebenswerte Bedingungen vorfinden. In den 20 Jahren seither, hat sich das ökologische Verständnis der Zusammenhänge vertieft. So habe ich Hoffnung,  dass unser individuelles und kollektives Handeln umweltverträglicher werden kann und wird. In den 20 Jahren seither ist aber auch die Ungleichheit auf unserer Welt immer größer geworden. Statt der erhofften Friedensdividende sehen wir Krieg und Gewalt in und um Europa und andernorts. Vor allem der soziale Pfeiler der Nachhaltigkeit zeigt gefährliche Sprünge: die gegenwärtige Flüchtlingssituation in Europa – mit allen ihren krisenhaften Gründen und Auswirkungen – macht überdeutlich,  wie fragil unsere derzeitige Weltordnung ist

Ökologisches Handeln erfordert auch ein Engagement für größere soziale Gerechtigkeit: Wir brauchen, sagt Papst Franziskus, eine neue universale Solidarität. Wer wollte widersprechen?

Die Autorin:
Irene Giner-Reichl, Expertin für Nachhaltige Entwicklung; derzeit leitet sie die Österreichische Botschaft in Peking

Dieser Beitrag wird im kommenden Dossier der Katholischen Sozialakademie Österreichs zu „Ganzheitliche Ökologie“ anlässlich der Weltklimakonferenz erscheinen und wurde mit freundlicher Erlaubnis der Autorin auch für www.klimapilgern.at zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen eines kostenlosen und unverbindlichen Probe-Abos (3 Ausgaben, automatisches Ende, innerhalb Österreichs) erhalten Sie dieses Dossier gerne auch per Post zugeschickt. Kontakt: konstanze.pichler@ksoe.at oder 01-310 51 59.

www.ksoe.at

 

17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung

  1. Armut in all ihren Formen überall beenden
  2. Hunger beenden, Lebensmittelsicherheit und verbesserte Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern
  3. Gesundes Leben sicherstellen und das Wohlergehen für alle Menschen in jedem Alter fördern
  4. Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung sichern und die Möglichkeit für lebenslanges Lernen für alle fördern
  5. Geschlechtergerechtigkeit und Empowerment für alle Frauen und Mädchen
  6. Verfügbarkeit und nachhaltiges Management von Wasser und sanitären Einrichtungen sowie Abwassersystemen sichern
  7. Zugang zu leistbarer, zuverlässiger, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern
  8. Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, volle und ertragreiche Erwerbstätigkeit und menschenwürdige Arbeit für alle erreichen
  9. Belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovation unterstützen
  10. Ungleichheit innerhalb und zwischen den Ländern verringern
  11. Städte und Siedlungen inklusiver, sicherer, widerstandsfähiger und nachhaltiger gestalten
  12. Nachhaltige Konsum- und Produktionsstrukturen sichern
  13. Vordringlich Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen
  14. Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne der nachhaltigen Entwicklung erhalten und nutzen
  15. Ökosysteme der Erde schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern. Wälder nachhaltig bewirtschaften, die Verwüstung bekämpfen und unfruchtbares Land wieder beleben und den Verlust der Biodiversität stoppen
  16. Friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zu Justiz ermöglichen und wirksame, zuverlässige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen
  17. Mittel zu Umsetzung und Wiederbelebung der globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung stärken.

Quelle: http://www.bmeia.gv.at/das-ministerium/presse/aktuelles/sustainable-development-goals-sdg/