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Ein persönliches Resumee der KlimapilgerInnen

21. Dezember 2015 - Am Weg
Ein persönliches Resumee der KlimapilgerInnen

Die Klimapilger und -pilgerinnen ziehen ein persönliches Resumee zu ihren fast 400-Fußkilometern von Wien nach Salzburg Richtung Weltklimagipfel in Paris (#COP21)

Was nimmst du von den ca. 400 km Gehen für mehr Klimagerechtigkeit mit?

Anja Appel (Generalsekretärin der kfb Österreich, Mutter, Wien):20151107_140047

Dass es überall Menschen gibt, die einen engagierten Einsatz für die  Schöpfung und für eine Energiewende leisten. Aber auch dass viele nur Wege/Instrumente suchen, damit sie ihren Lebensstandard halten können. Das Bewusstsein, dass wir im Sinne der Klimagerechtigkeit zurückschrauben müssen, ist noch nicht so weit verbreitet. Ich bin überzeugter denn je, dass es einen radikalen Systemwechsel braucht und wünsche uns in ökologischen und sozialen  Fragen eine starke internationale Koaltition, die sich auf Klimaziele und Ausgleichsfinanzierungen einigt und diese exekutiert.

Ferdinand Kaineder (Mediensprecher der Ordensgemeinschaften Österreich, Vater und Opa, Wien und Kirchschlag bei Linz):
Von den 21 Tagen gehen nehme ich eine große Weite mit. Ich bin „für und mit allen Menschen“ gegangen, die unter den Schieflagen unserer Gesellschaft und den ausbeuterischen Systemen unseres Wirtschaften leiden oder gar zu Tode kommen. In besonderer Weise sind es heute die Flüchtlinge und indigenen Völker, denen Technokraten und Geld-Ökonomen die Lebensgrundlage entziehen. Die Natur strahlt so viel Frieden aus und der Mensch führt Krieg gegen sie. Das Gehen hat mich versöhnter gemacht und gleichzeitig radikaler gegenüber unseren gesellschaftlichen Eliten.
Silvia Wieser (im Tourismus tätig, Pilgerbegleiterin, Pfarrgemeinderat, Mühlbach am Hochkönig):20151105_120350
Ich habe wunderbare Menschen und Ideen kennengelernt. Ich nehme einen Vorsatz für mich mit: Ich möchte mehr Menschen in meiner Gemeinde davon berichten und überzeugen, dass wir  Gast auf Erden sind. Auch der PGR ist für mich eine wichtige Gruppe von Menschen, die ich überzeugen möchte.  Die Enzykilika Laudato Si ist ein wunderbares und wertvolles Schreiben. Darin wird die Schöpfungsverantwortung und die Verantwortung für die Menschen untereinander betont. Bischof Andrej von der Serbisch-Orthodoxen Kirche hat sich einen ganzen Tag lang Zeit genommen, um mitzupilgern. Er war in dieser Zeit ein interessanter und wertschätzender Gesprächspartner.
Rembert Schleicher (Mitarbeiter im Netzwerk Pilgrim, Vater, Wien und Steiermark):
Gehen ist eine adäquate Form der Solidarisierung mit Flüchtlingen. Gehend sind die meisten Flüchtlinge unterwegs, wenn auch nicht freiwillig. Beim Gehen gelingt es mir, das Flüchtlingsproblem sehr konkert wahrnehmen zu  können. Wir hatten viele Gespräche mit Flüchtlingen, die mitgegangen sind oder wir sind ihnen begegnet. Ich empfehle Politikerinnen und Politikern zu gehen, um entscheidungs- und aktionsfähig zu werden und um nicht danebenstehen zu müssen. Den Klimawandel haben wir uns selbst zuzuschreiben und wir haben tausende Möglichkeiten gegenzusteuern. Der Rucksack der Alternativen ist prall gefüllt. Noch können wir etwas tun. Die Bodenversiegelung und der Flugverkehr sind die Schlüsselprobleme. Regionale und globale Regelungen sind notwendig.

Welche Botschaften sind dir dabei ans Herz gewachsen?

Ferdinand Kaineder:
„Das Schlechte nicht weniger schlecht machen, sondern es muss von Beginn an gut sein.“ Leben wir so, dass wir das Ende unserer Lebensprozesse (Einkauf, Arbeit, Mobilität, Produktion,…) in die Wiege der nächsten Generation legen können? Meine zwei Grundfragen zum Leben sind noch weiter gewachsen in ihrer Bedeutung: Wie geht Reduktion? Wie kommt mehr Liebe in die Welt?Viele Projekte, die wir gesehen haben, Menschen, denen wir begegnet sind, Landschaften, die wir bewundert haben, haben dann eine „Schönheit“ entfaltet, wenn sie aus der tiefen Quelle der 20151105_093011Spiritualität gespeist waren. Es waren immer Menschen, die nicht zufrieden waren im Gefängnis der jetzigen Plausibilitäten und oft Unerhörtes gewagt haben. Alleine auf der schmalen Spur dieser fast 400 km durch Österreich haben wir das Aufkeimen einer neuen Welt, die Transformationen hin zu einer neuen Wirtschaft erlebt. Die Medien sind zum Großteil Gefangene des laufenden Systems und entwickeln keine Kritik mehr. Auch die redaktionellen Wahrnehmungen sind eingeschränkt auf „Gängiges“ oder Skuriles.
Das Welt- und Menschenbild in der Enzyklika #LaudatoSi von Papst Franziskus kann das neue Fundament einer neuen Welt werden. Das Gehen und Pilgern hat mich darin bestärkt, das technisierte Menschenbild sehr kritisch zu sehen und durch das spirituelle und ökölogische Menschenbild noch konsequenter zu ersetzen. Wer geht, wird fast automatisch dorthin geöffnet.
Vom Weltklimagipfel #COP21 erwarte ich mir einen radikalen Bruch mit dem gängigen Wachstumsparadigma. Solidarische Ökonomie soll das neue Paradigma werden.

Anja Appel:
Nicht Weniger schlecht, sondern Mehr sofort richtig gut machen. „Gehen belebt“. „Das Tradierte ist nicht deshab gut, weil es alt ist, sondern alt, weil es gut ist.“ UND „Wir sind dennoch Kinder unserer Zeit.“ Nur ein kleiner Stück vom Apfel oder fünf Kinder von drei Klassen stehen für die kleine Fläche, die uns für den Anbau für Lebensmittel bleibt, weil wir Land dafür verwenden, dass Futtermittel für Tiere zu produzieren und weil wir so viele Flächen versiegeln. Als Gast auf Erden brauchen wir mehr Demut gegenüber der Natur und den Grundbedürfnissen der Menschen. Es braucht beispielsweise eine neue Einordnung nach Lebensmitteln, Genussmitteln und Luxusgütern.


Rembert Schleicher:

„Laudato Si‘“ ist unsere Magna Carta. Die Dinge nicht weniger schlecht, sondern vom 20151106_081905Anfang an gut machen (Cradle to Cradle). Nachhaltigkeit ist weitaus mehr als eine ökologisch-ökonomische Größe. Sie hat eine spirituelle Dimension. Eleganz im Sinne von Weglassen versus Wohlstandsverstopfung ist unsere Ansage. Soziale und ökologische Krisen hängen ursächlich zusammen und deshalb müssen wir beides im Auge behalten. In Purkersdorf haben wir gehört: „Gehen belebt“.  Die Sünde beginnt dort, wo der/die Einzelne sagt: „Ich kann ja eh nix machen“.  Es gibt Traditionen als Erneuerungsimpulse wie die Traditionell Europäische Medizin der Marienschwestern.

Silvia Wieser:
„Cradle to cradle“ (Von der Wiege zur Wiege) hat auf mich einen besonderen Eindruck gemacht und bewirkt, dass ich in meiner eigenen Lebenssituation zukünftig noch mehr auf Wiederverwendbarkeit achten werde. Das lebe ich bereits im Bereich des Gartens und der Kompostierung.
Traditionelle Europäische Medizin (TEM) von Bad Kreuzen ist auch der Zugang für meine eigene Lebensführung. Beeindruckend ist an dem Ansatz, dass Ärzte und Ärztinnen die Patienten beraten und Anregung für eine Therapie geben. Ansätze der erneuerbaren Energie sehe ich in allen Projekten, die Wind- und Sonnenenergie nutzen. Ich verwende seit 1979 Sonnenkollektoren, Photovoltaik seit 2013.

Was waren die besonderen körperlichen, mentalen und spirituellen Herausforderungen?

Rembert Schleicher:
Als total ungeübter Geher habe ich das „von0 auf 100“ als besondere körperliche Herausforderung erlebt. Mental gesehen ist die Welt um so vieles größer als ich sie denken kann. Als spirituelle Herausforderung nehme ich mit: Weiter sehen als wir sind und Nachhaltigkeit spirituell angehen.

Silvia Wieser:
Man schafft mehr als man sich zumutet. Es braucht einfach mehr Zu- und 20151106_085814Vertrauen zum eigenen Körper. Den einen oder anderen Schmerz gilt es auch mal zu ignorieren, aber gleichzeitig sorgsam zu sein, damit man keine Schäden davonträgt. Da wir das Gepäck selber getragen haben, galt es für jede Wettersituation gerüstet zu sein und dennoch minimales Gewicht mitzuhaben.  Wichtig war, auf die Mitpilgernden eingehen zu können. In der Gruppe pilgern heißt, nicht immer den eigenen Kopf durchzusetzen, sondern als Gruppe den besten Weg zu finden.

Anja Appel:
Meine Füße waren den langen Weg nicht gewohnt und mussten sich die letzten zwei Wochen daher regelmäßig melden. Aber sie haben mich getragen. Nach der Pilgerreise wird es für mich eine Herausforderung werden, Menschen entgegenzutreten, die meines Erachtens auf zu großem „ökologischem“ Fuße leben und mich mit ihnen und ihrer Lebensrealität bzw. Sicht auf die Welt auseinanderzusetzen.

Ferdinand Kaineder:
Weitgehen ist heilsam. Das war auch diesmal über diese 21 Tage meine Erfahrung. Da ich körperlich keine Beschwerden hatte, musste ich nichts verschmerzen. Mental und spirituell habe ich die TagespilgerInnen als besondere Bereicherung erlebt. Offenheit und Bewegung lassen immer wieder Menschen ganz leicht mitgehen. Eine besondere Erfahrung war, dass wir so wunderbar zusammen gesungen haben, obwohl wir uns untereinander vorher nicht gekannt haben. Der gemeinsame Weg hat in vielen Gesprächen, im Schweigen, im Hinhören Ideen und eine Pilgergemeinschaft „entfaltet“.  Eine tiefe Dankbarkeit hat mich von Tag zu Tag mehr erfüllt. Die Natur ist die beste Lehrmeisterin des Lebens.

Wie weiter?

Anja, Rembert und Ferdinand sind auch in Paris beim Weltklimagipfel und werden dort die letzten 3 Tage zusammen mit den interantionalen Pilgern den Rucksack der Alternativen nach Paris tragen.

  1. Nov 2015